Ganser-Syndrom – Symptome, Ursachen, Diagnose
Das Ganser-Syndrom ist eine psychische Erkrankung, die sich durch Vorbei-Antworten auf einfache Fragen oder durch falsche Handlungsabläufe äußert. Die Betroffenen verhalten sich so, wie sich ein Laie eine Geisteskrankheit vorstellt, jedoch entziehen sich die Handlungen der bewussten Kontrolle der Betroffenen. Die Krankheit gehört zum Spektrum der dissoziativen Störungen.
Krankheitsbild Ganser-Syndrom
Betroffene des Ganser-Syndroms antworten auf einfachste Fragen falsch oder führen falsche Handlungsabläufe aus. Geantwortet wird zwar in der richtigen Antwort-Kategorie (beispielsweise Zahl oder Farbe), die Antwort ist jedoch nicht korrekt, in der Regel „haarscharf“ daneben. Dieses kann sich zum Beispiel wie folgt äußern:
Falsche Antworten („Vorbei-Antworten“ genannt)
- Frage: Wie viel ist 1+1?, Antwort: 3
- Frage: Welche Farbe hat die Sonne?, Antwort: Grün
- Frage: Wie viele Finger haben Sie?, Antwort: 11
- Frage: Wie heißen Sie?, Antwort mit falschem Namen
- Betroffene geben an, nicht lesen oder schreiben zu können
- Betroffene sehen sich nicht in der Lage von 1 bis 5 zu zählen
Falsche Handlungsabläufe („Vorbei-Handeln“ genannt)
- Der Betroffene wird darum gebeten, die Tür abzuschließen. Er versucht dann den Schlüssel falsch herum ins Schloss zu stecken
Das Ganser-Syndrom wurde erstmals 1897 vom deutschen Psychiater Dr. med. Sigbert Josef Maria Ganser beschrieben und später nach ihm benannt. Ganser hatte die Symptome bei Häftlingen in der Gefängnis-Psychiatrie beobachtet. Ursprünglich wurde angenommen, dass es sich um eine Simulation einer Geisteskrankheit in belastenden Situationen handelt. Auch heute ist im Einzelfall teilweise schwer festzustellen, inwiefern der Betroffene das Vorbei-Antworten oder -Handeln bewusst simuliert.
Das Ganser-Syndrom ist eine seltene psychiatrische Erkrankung, die überwiegend bei Männern jungen bis mittleren Alters auftritt (im Durchschnitt mit 33 Jahren). Betroffene sind meistens Gefangene bzw. Angeklagte. Fachleute gehen davon aus, dass es sich um eine Reaktion auf überwältigende Stress-Situationen handelt, bei denen Betroffene sich subjektiv hilflos fühlen.
In Publikationen ist das Ganser-Syndrom teilweise unter anderen Bezeichnungen vorzufinden, z.B. Pseudodemenz, Pseudodebilität, hysterischer Dämmerzustand, Scheinblödsinn, reaktiver Haftzustand, Haftpsychose, Zweck-Psychose, Vorbei-Reden oder Vorbei-Handeln.
Kategorisierung nach ICD-10 und DSM-5
In der ICD-10 ist das Ganser-Syndrom der Gruppe F44 dissoziative Störungen (Konversionsstörungen) zugeordnet. Es ist dort als eigenständiges Krankheitsbild unter dem Code F44.80 aufgeführt.
Auch im DSM-5 ist das Ganser-Syndrom als dissoziative Störung definiert. Gemäß DSM-5 ist das Ganser-Syndrom jedoch keine eigenständige Krankheit, sondern wird dem Code 300.15 „Sonstige unspezifische dissoziative Störung“ zugeordnet.
Symptome
Leitsymptom des Ganser-Syndroms ist das Vorbei-Antworten und/oder das Vorbei-Handeln. Die Betroffenen sind im Moment des Antwortens oder Handelns dabei überzeugt davon, dass Ihre Antwort/Handlung richtig sei.
Das Ganser-Syndrom tritt oft in Verbindung mit anderen dissoziativen Phänomenen auf, z.B. dissoziative Amnesie, dissoziative Fugue, Wahrnehmungsstörungen (z.B. Seh-, Hör- und Geschmacksstörungen) sowie auch körperlichen dissoziativen Symptomen, wie beispielsweise Lähmungen (dissoziativer Stupor), psychogenen Kopfschmerzen oder Schmerzlosigkeit.
Die Symptomatik tritt akut auf und hält meistens nur kurz an. In der Regel dauert eine Episode von weniger als einer Stunde bis zu wenigen Tagen an. Betroffene sind danach wieder völlig klar im Bewusstsein und beantworten die zuvor falsch beantworteten Fragen wieder richtig. Oftmals sind Betroffene auch empört oder verwundert darüber, dass sie vorher falsch geantwortet haben sollen – es besteht eine Amnesie über die symptomatische Zeit.
Ursachen
Genaue Ursachen, die zur Entstehung des Ganser-Syndroms führen, sind nicht bekannt. Häufig sind traumatische oder zumindest sehr stark belastende Bedingungen bei den Betroffenen zu beobachten. Aus diesem Grund sind traumatische Erfahrungen als Ursache für diese Erkrankung wahrscheinlich.
Differenzialdiagnose
Bei der Diagnose sollte eine Prüfung auf andere Erkrankungen mit ähnlicher Symptomatik stattfinden. Das Ganser-Symptom (Vorbei-Antworten) tritt auch bei zahlreichen anderen psychiatrischen Erkrankungen auf.
Vor allem die folgenden Erkrankungen sind differenzialdiagnostisch in Betracht zu ziehen:
- Schizophrenie
- Transiente globale Amnesie
- Schädel-Hirn-Trauma
- Hirntumore
- Hirnblutungen
- Schlaganfall
- Neurologische Erkrankungen
- Drogen-/ Alkoholmissbrauch
- Demenz
- Depressive Pseudodemenz
- Delir
- Down-Syndrom
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