Warum dissoziative Störungen häufig unerkannt bleiben
Dissoziative Störungen werden oftmals nicht erkannt und als andere psychische Erkrankungen fehldiagnostiziert. Betroffene erhalten häufig Diagnosen wie Depression, Angststörungen, Persönlichkeitsstörungen (z.B. Borderline) oder Schizophrenie. Bei der Dissoziativen Identitätsstörung (DIS), die dissoziative Störung mit der ausgeprägtesten dissoziativen Symptomatik, erhalten Betroffene die richtige Diagnose im Schnitt erst nach 7 Jahren!
Dabei sind dissoziative Störungen alles andere als selten. Schätzungsweise 4 Millionen Menschen sind in Deutschland davon betroffen, wie du in meinem Beitrag Die Häufigkeit dissoziativer Störungen nachlesen kannst.
Aber warum werden dissoziative Störungen so oft nicht erkannt, obwohl sie doch so häufig vorkommen? Im Folgenden findest du sechs Gründe, die dazu führen, dass dissoziative Störungen häufig unerkannt bleiben.
6 Gründe, warum dissoziative Störungen oft unerkannt bleiben
1. Fachleute besitzen unzureichende Kenntnisse bzgl. dissoziativer Störungen
Meines Erachtens ist die mangelhafte Ausbildung der Fachleute (Psychiater, Psychotherapeuten, Heilpraktiker für Psychotherapie, etc.) der Hauptgrund dafür, warum dissoziative Störungen oftmals nicht erkannt werden. Der Begriff „Dissoziation“ ist zwar vielen Fachleuten grundsätzlich bekannt, jedoch besitzen nur wenige fundierte Kenntnisse darüber, dissoziative Störungen richtig zu diagnostizieren und zu behandeln.
2. Dissoziative Störungen und Symptome sind der Allgemeinbevölkerung unbekannt
Dissoziative Störungen und Symptome sind in der Allgemeinbevölkerung weitestgehend unbekannt. Betroffene nehmen vielleicht einige der dissoziativen Phänomene wahr, wissen diese jedoch nicht als solche zu deuten. Oftmals nehmen Betroffene auch an, dass es sich dabei um „normale“ Symptome einer Depression handele.
Eine bessere Aufklärung der Allgemeinbevölkerung würde wahrscheinlich dazu führen, dass viele Betroffene ihre dissoziativen Symptome als solche erkennen und sich entsprechende Hilfe suchen würden.
3. Betroffene bemerken die dissoziativen Symptome nicht
Der Mechanismus der Dissoziation ist bewusstseinsfern. Viele Betroffene nehmen ihre dissoziativen Symptome gar nicht oder nicht in vollem Umfang wahr (zum Beispiel „Amnesie für die Amnesie“). Teilweise wird das Dissoziieren bereits so früh im Leben „erlernt“, dass den Betroffenen gar nicht bewusst ist, dass andere Menschen die Welt anders, konsistenter wahrnehmen könnten. Und wie soll man etwas beschreiben bzw. Ärzten und Therapeuten schildern, das man selbst gar nicht bemerkt?
4. Betroffene neigen dazu, ihre dissoziativen Symptome zu verbergen
Einige Betroffene haben Angst davor, von Ärzten oder Therapeuten für „verrückt“ erklärt zu werden, wenn sie ihnen von den dissoziativen Symptomen (zum Beispiel Stimmenhören) berichten. Viele Betroffene schämen sich auch für die dissoziativen Symptome und verheimlichen diese. Werden die dissoziativen Symptome im Diagnosegespräch und während der Therapie jedoch nicht erwähnt, ist es schwierig, diese zu erkennen.
Jedoch gibt es spezifische Tests bzgl. dissoziativer Symptome, mit denen Fachleute dissoziative Symptome aktiv erfragen können. Diese helfen dabei, dissoziative Störungen zu erkennen, auch wenn die Betroffenen nicht aktiv darüber berichten. Leider finden diese Tests in der Praxis wenig Anwendung. Dabei dürften sie vor allem unerfahreneren Therapeuten dabei helfen, dissoziative Störungen zu erkennen.
5. Therapeutische Hilfe wird meistens wegen Begleiterkrankungen gesucht
Die meisten Betroffenen von komplexen dissoziativen Störungen suchen nicht wegen der dissoziativen Symptomatik nach therapeutischer Hilfe, sondern wegen den damit einhergehenden Begleiterkrankungen. Zu Beginn der Therapie stehen deshalb oftmals greifbarere Beeinträchtigungen im Vordergrund, wie z.B. Depression, Ängste, Zwänge oder Essstörungen. Häufig gelangt das dissoziative Erleben erst im Laufe einer Therapie in den Fokus.
6. Öffentlich zugängliche Informationen sind irreführend, teilweise sogar falsch
Häufig suchen Betroffene Rat im Internet. Sie stoßen dabei auf eine Fülle an Informationen, die oft widersprüchlich, irreführend und teilweise sogar falsch sind. So empfehlen zum Beispiel einige Quellen, dass sich dissoziative Störungen (immer) verhaltenstherapeutisch behandeln ließen (z.B. mit starken Reizen durch Ammoniak, Eiswürfel oder Igelbälle). Eine reine verhaltenstherapeutisch orientierte Therapie bringt jedoch in den allermeisten Fällen nichts, da hierdurch die Ursachen, welche zu den dissoziativen Symptomen führen, nicht ergründet und aufgelöst werden.
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